Was ist Ewigkeit? 

Es war ein Geschenk: Anselm Grüns „Jeder Tag ein Weg zum Glück“. Ein kleines, gelbes Büchlein mit dunkelgrünem Leseband. Auf dem Titel hängt eine Margerite an einer Wäscheklammer auf der Leine. Eine Lektüre, zu der ich selbst niemals gegriffen hätte. In meinen gedanklichen Schubladen habe ich den Autor und seine Bücher unter Lebensweisheiten, katholisch und massentauglich glattgebügelte Glücksinhalte abgelegt. Aber das Buch kam von einem Menschen, der dieses Geschenk besonders macht. Ich habe mich sehr darüber gefreut, deshalb erschien also der kleine gelbe Einband immer wieder in meinem Blickfeld, denn ich ließ ihn wie zufällig auf der Kommode liegen und nicht unter den vielen anderen Büchern im Regal verschwinden. Vielleicht, so tauchte eines Tages der Gedanke auf, wenn ich doch die Schenkende so schätzte, vielleicht hatte sie zu einem Buch gegriffen, dass mehr enthalten könnte als christlich geprägte Lebensweisheiten für den Massenmarkt. Denn das würde doch eigentlich nicht zu ihr passen. Ich nahm das Buch noch einmal in die Hand und schlug es auf.

Das Vorurteil „katholisch“ löste sich auf den ersten Seiten auf. Ganz im Gegenteil zeigt der Text, dass spirituelle Erfahrungen universell sind, aus welcher Religion oder Tradition sie auch immer entspringen mögen. Das finde ich groß, ganz groß. Worte und Bilder sind andere, aber sie alle sind Ausdruck einer bestimmten Erfahrung. Und an diesem Punkt reduzieren sich die mehr als 350 Anschläge, die ich in der Minute zu schreiben weiß, auf einzelne Buchstaben. Denn bei der Frage, um welche Erfahrung es sich handelt, wird es schwierig mit der Erklärung. Ich halte mich an einem Wort fest, das im Buch auftaucht und in mir eine besondere Resonanz auslöste: Ewigkeit.

Das ist es. Ich hatte einige Zeit zuvor einen besonderen Moment erlebt. In mir war eine bis dahin nicht gekannte Ruhe und Sicherheit. Alles war gut. Ich brauchte nichts, ich wollte nichts. Ich saß da, absolute Ruhe. Als ich das Wort Ewigkeit las, hatte ich einen Namen für diesen Moment. Was natürlich auch für den Abschied auf dieser Welt eine gute Erfahrung ist, denn dann ist der Abschied tatsächlich verheißungsvoll. Aber erst einmal geht es ja ums Leben. Wenn ein Begriff wie Ewigkeit im Raum steht, wird der Unterschied zwischen kognitivem Verstehen und Fühlen wichtig. Gehört, gesehen, gelesen und verstanden ist der erste Schritt; das Einsickern des rational Erfassten in eine Sphäre, in der sich die Erkenntnis fühlen lässt, ist der nächste Schritt. 

Aha, wirklich? Und wie lässt sich das erreichen? Mein innerer Skeptiker schreibt immer mit. Eine Margerite hängt an der Wäscheklammer auf der Leine vor sonnengelbem Hintergrund. Eine Blüte öffnet sich in den Himmel und der Himmel öffnet sich in der Blüte. Ja. Und nein. Gefährliches Terrain, denn mir klingt schon der Vorwurf des Kitschs und der billigen Lebensweisheiten im Ohr. Also nein. Aber ja, es stimmt. Genau so ist das. In der Blüte die Schönheit der Welt schauen und in einem Moment die Ewigkeit spüren. Der Unterschied ist, ob die Erkenntnis den Weg vom rationalen Erfassen zum intuitiven Wissen geschafft hat. 

Wie sich dieser Weg bewältigen lässt, das mag wohl für jeden Menschen unterschiedlich sein. Beste Voraussetzung ist sicherlich das Wollen. Es sollen auch Menschen von einer plötzlichen Erkenntnis getroffen werden, die schlaftrunken woanders hin unterwegs sind. Aber ich bin verhalten, was die plötzliche Umkehr, die lebensveränderte Vision oder sonstige 180-Grad-Wenden betrifft. Das hätte ich mir früher gewünscht, weil es so einfach klingt. Ich muss nichts tun und plötzlich fährt die Erkenntnis wie ein Blitz in mich. Danke schön, nächster Programmpunkt. Aber es ist ein langer, stetiger Weg. Es ist das Leben, das ganze Leben. Es sind viele kleine Puzzlesteine und einer davon – Achtung, anschnallen! – einer davon ist ATMEN. Vielleicht auch meditieren, auf Berge steigen und hinabschauen, tanzen, Blauwassersegeln, in Yogaübungen sinken, Haustiere streicheln, Autofahren und Füße spüren. Hauptsache anfangen – und nicht aufhören.

2 Antworten auf „Was ist Ewigkeit? “

  1. Hallo Sabine, ich bin sehr beeindruckt von Deinen Worten und freue mich, dass dieses Büchlein Dich gefunden hat. Einen ganz lieben Gruß!

  2. Liebe Sabine,
    ich finde den Text wunderbar. Danke dafür. Ich bin dem Leben aus ganzem Herzen dankbar, weil ich diese nicht beschreibbaren Erfahrungen, das Ewige zu spüren, immer wieder machen darf.
    Für mich ist es immer mit innerer Stille und Weite verbunden, auch wenn das Ewige sich durchaus mit Geräuschen ausdrückt. Innehalten und wahrnehmen was ist…JETZT

    herzliche Umarmung
    Karl

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